Hier beginnt der Hauptinhalt dieser Seite

Ausweisung von Generhaltungseinheiten Ausweisung von Generhaltungseinheiten

Handlungsempfehlungen zur Ausweisung von Generhaltungseinheiten unter Berücksichtigung von Mindestkriterien

Die Handlungsempfehlungen zur Ausweisung von Generhaltungseinheiten unter Berücksichtigung von Mindestkriterien wurden von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Forstliche Genressourcen und Forstsaatgutrecht“ (BLAG-FGR) erarbeitet (Stand 01/2017).

Bisher wurde die Ausweisung von Generhaltungseinheiten als wesentliche Grundlage für die In-situ-Erhaltung forstgenetischer Ressourcen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. Mit der Erarbeitung der „Handlungsempfehlungen zur Ausweisung von Generhaltungseinheiten unter Berücksichtigung von Mindestkriterien“, soll die Vorgehensweise bei der Erfassung und Ausweisung von In-situ-Generhaltungseinheiten durch die Festlegung von Mindestkriterien vereinheitlicht werden. Dabei wurden die Empfehlungen des europäischen Netzwerkes zur Erhaltung forstgenetischer Ressourcen (EUFORGEN) berücksichtigt.

Unter forstlichen Genressourcen wird gemäß dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) genetisches Material von Baum- und Straucharten mit tatsächlichem oder potenziellem Wert für eine nachhaltige, multifunktionale Forstwirtschaft verstanden.

Generhaltungseinheiten  sind abgegrenzte, genau definierte Vorkommen forstgenetischer Ressourcen. Je nach Flächengröße werden Generhaltungseinheiten in drei Kategorien unterteilt:

  1. Kleinvorkommen sind kleinflächige Waldteile mit bis zu 20 Individuen sowie Einzelbäume der zu erhaltenden Art. Wenn ihr Weiterbestand vor Ort bedroht ist, müssen Ex-situ-Maßnahmen eingeleitet werden.
  2. Generhaltungsbestände sind Bestandeseinheiten mit mehr als 20 Individuen der zu erhaltenden Art bis zu einer Fläche von 20 ha.
  3. Generhaltungswälder sind größere zusammenhängende Waldteile ab 20 ha, auf denen die zu erhaltende Art vorkommt.

Entscheidungskriterien für Erhaltungsmaßnahmen sind Erhaltungswürdigkeit, Erhaltungs­dringlichkeit und Erhaltungsfähigkeit.

Aus ökologischer, ökonomischer und ethischer Sicht erhaltungswürdig sind wertvolle, an den Standort angepasste Vorkommen der zu erhaltenden Art. Merkmale für die Erhaltungs­würdigkeit sind v. a. Angepasstheit (Vitalität), Anpassungsfähigkeit (hohe genetische Vielfalt), Autochthonie, Qualitätsmerkmale und Seltenheit.

Erhaltungsdringlich sind Vorkommen, bei denen ein teilweiser oder kompletter Verlust der genetischen Ressource zu befürchten ist. Der Grad der Gefährdung lässt sich anhand folgender Risikofaktoren abschätzen:

  • Disposition gegenüber Krankheiten/Kalamitäten
  • effektive (lokale) Populationsgröße 
  • Gefahr der Hybridisierung mit Kultursorten
  • drohender Habitatverlust
  • Waldflächenverlust 
  • Konkurrenzschwäche 
  • Immissionen und andere abiotische Faktoren 
  • Wildschäden

Die Dringlichkeit von Erhaltungsmaßnahmen wird in vier Stufen eingeteilt:

  • Stufe 1       vordringlich
  • Stufe 2       dringlich
  • Stufe 3       notwendig
  • Stufe 4       wünschenswert

 

Erhaltungsfähig sind Vorkommen, die am natürlichen Wuchsort dauerhaft überleben und reproduzieren können. Die folgenden Merkmale dienen der Bewertung:

  • Abundanz
  • Altersstruktur
  • Genetische Variabilität
  • Reproduktion
  • Vitalität

Mindestkriterien zur Auswahl von Generhaltungseinheiten

Die In-situ-Generhaltung fokussiert nicht nur auf den Schutz der ausgewählten forst­genetischen Ressource, sondern auch auf den Schutz des genetischen Systems, das die Generationen verbindet. Deshalb spielt das Mindestalter als Auswahlkriterium eine besondere Rolle; bevorzugt sind reproduktionsfähige Generhaltungseinheiten auszuwählen.

Grundsätzlich sind die in Tabelle 1 angegebenen Werte für das Mindestalter zu beachten (bei dem FoVG unterliegenden Baumarten wurden die Werte aus der Zulassungsverordnung des FoVG übernommen).

Tabelle 1: Empfohlenes Mindestalter zur Auswahl als In-situ-Generhaltungseinheit

Botanischer Name

Deutscher Name

Mindestalter zur Auswahl als Generhaltungseinheit

Abies alba

Weiß-Tanne

70

Abies grandis

Küsten-Tanne

40

Acer campestre

Feld-Ahorn

40

Acer platanoides

Spitz-Ahorn

40

Acer pseudoplatanus

Berg-Ahorn

50

Alnus glutinosa

Schwarz-Erle

40

Alnus incana

Grau-Erlen

40

Betula pendula

Hänge-Birke

30

Betula pubescens

Moor-Birke

30

Carpinus betulus

Hainbuche

50

Castanea sativa

Edel-Kastanie

40

Fagus sylvatica

Rot-Buche

70

Fraxinus excelsior

Gewöhnliche Esche

50

Larix decidua

Europäische Lärche

50

Malus sylvestris

Wild-Apfel

30

Picea abies

Gewöhnliche Fichte

60

Pinus cembra

Zirbel-Kiefer

60

Pinus nigra

Schwarz-Kiefer

60

Pinus sylvestris

Wald-Kiefer

60

Populus nigra

Schwarz-Pappel

40

Prunus avium

Vogel-Kirsche

30

Prunus padus

Traubenkirsche

30

Pseudotsuga menziesii

Douglasie

40

Pyrus pyraster

Wild-Birne

30

Quercus petraea

Trauben-Eiche

70

Quercus pubescens

Flaum-Eiche

50

Quercus robur

Stiel-Eiche

70

Quercus rubra

Rot-Eiche

40

Sorbus aucuparia

Vogelbeere

30

Sorbus torminalis

Elsbeere

40

Sorbus aria

Mehlbeere

30

Taxus baccata

Eibe

40

Tilia cordata

Winter-Linde

40

Tilia platyphyllos

Sommer-Linde

40

Ulmus glabra

Berg-Ulme

30

 

Weitere Kriterien, die bei der Auswahl besondere Berücksichtigung finden sollen, sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2: Mindestkriterien zur Auswahl als In-situ-Generhaltungseinheit

Kleinvorkommen

Generhaltungsbestände

Generhaltungswälder

Mindestalter

Siehe Tabelle 1

Anmerkung: Bäume sollen bereits reproduzieren

Siehe Tabelle 1

Anmerkung: Im Bestand sollen auch reproduzierende Bäume vorhanden sein

Siehe Tabelle 1

Anmerkung: In den Generhaltungs­wäldern sollen reproduzierende Bäume vorhanden sein

Bestandsstruktur

Ohne Bedeutung.

Ohne größere Bedeutung.

Rein- u. Mischbestände; Naturnähe und ausgewogene Altersstruktur erwünscht.

Verjüngungsfreudigkeit

Verjüngung sollte vorhanden sein, aber fehlende Verjüngung ist kein Ausschlussgrund. Inzucht/ Hybridisierung sollte möglichst ausgeschlossen sein.

Verjüngung sollte vorhanden sein, aber fehlende Verjüngung ist kein Ausschlussgrund.

Verjüngung muss vorhanden sein; Nur schwache Verjüngung ist kein Ausschlussgrund, wenn die Ursachen nicht im fehlenden Reproduktions­potential liegen

Vitalität

Möglichst vital, aber nachlassende Vitalität ist nicht per se ein Ausschlussgrund.

Möglichst vital, aber nachlassende Vitalität ist nicht per se ein Ausschlussgrund.

Gut bis sehr gut, ähnlich FoVG.

Lage (Standort)

Für die Genressource geeignete Standorte sollen bevorzugt werden. In Ausnahmefällen können auch Vorkommen auf Sonderstandorten oder Populationen unter speziellen ökologischen Bedingungen ausgewählt werden.

Für die Genressource geeignete Standorte sollen bevorzugt werden. In Ausnahmefällen können auch Vorkommen auf Sonderstandorten oder Populationen unter speziellen ökologischen Bedingungen ausgewählt werden.

Weniger bedeutend, für die Genressource geeignete Standorte sollen bevorzugt werden.

Isolierung

Wichtig; vor allem wenn Hybridisierung mit anderen Arten, Varietäten oder Kultursorten möglich ist (Mindestabstand 400 m in Anlehnung an FoVG-Vorgaben).

Bei Baumarten mit hoher wirtschaft­licher Bedeutung wichtig, um Ein­kreuzung ungeeigneter Genotypen zu vermeiden (Mindestabstand 400 m in Anlehnung an FoVG-Vorgaben);

Lässt sich auf Sonderstandorten nicht immer realisieren..

Nachrangig, da es sich um sehr große Einheiten handelt. Trotzdem sollte geprüft werden, ob die Gefahr der Vermischung mit ungeeigneten Genotypen besteht (z B. 1.000 m).

Autochthonie

Wünschenswert, da aber schwer bestimmbar kein Ausschlusskriterium.

Wünschenswert, da aber schwer bestimmbar kein Ausschlusskriterium.

Wünschenswert, da aber schwer bestimmbar kein Ausschlusskriterium.

Artreinheit

Relevant bei Arten, die mit Kultursorten hybridisieren können.

Wenig relevant; fallweise beachten (siehe Kleinvorkommen).

Nicht relevant.

Qualität (als wirtschaftlicher Aspekt)

Irrelevant.

Fallweise bei Wirtschaftsbaumarten relevant.

Relevant bei Wirtschaftsbaumarten, irrelevant in Schutzgebieten.

Genetische Erkenntnisse

Sollten Berücksichtigung finden. Wenn die Ausweisung dringlich ist, kann die genetische Charakteri­sierung auch nachträglich erfolgen. 

Sollten Berücksichtigung finden. Ist dies aus Kostengründen nicht möglich, so bildet dies keinen Ausschlussgrund. 

Genetische Erkenntnisse sind wünschenswert, aber nicht zwingend. Aufgrund der hohen Individuenzahl ist hier die Gefahr genetischer Einengung deutlich geringer.

 

Empfehlungen zur Ausweisung, Dokumentation und zum langfristigen Erhalt von  In-situ-Generhaltungseinheiten

In-situ-Generhaltungseinheiten können sowohl in Wirtschaftswäldern als auch in unbewirt­schafteten Wäldern ausgewählt werden. Der Auswahl dienen unterschiedliche Informations­quellen:

  • Informationen der Waldbesitzer und Forstverwaltungen
  • Erntezulassungsregister
  • (Wald)Biotopkartierungen
  • Informationen zu Schutzgebieten nach Naturschutzrecht
  • Kartierungen seltener Baumarten
  • Waldinventur- und Fernerkundungsdaten
  • Ergebnisse genetischer Untersuchungen

Die In-situ-Generhaltungseinheiten sollen der Erhaltung forstlicher Genressourcen über möglichst lange Zeiträume dienen. Deshalb sind folgende Maßnahmen notwendig:

  • Ausweisung von In-situ-Generhaltungseinheiten vorrangig im Staatswald
  • Einbindung der Waldeigentümer im Privat- und Kommunalwald
  • Dokumentation der Grenzen der Generhaltungseinheit
  • regelmäßige Überprüfung und Dokumentation der Generhaltungseinheit
  • Zusammenführung der Daten forstgenetischer Ressourcen auf Landesebene und in einer deutschlandweiten Datenbank (z. B. im Nationalen Inventar FGRDEU)
  • Übernahme der Daten forstgenetischer Ressourcen in die Waldfunktionskartierung („Wald mit besonderer Bedeutung für die Generhaltung“)

Grundsätzlich sollten alle waldbaulichen Maßnahmen in einer In-situ-Generhaltungseinheit dem Erhalt der genetischen Ressource dienen (Erhalt und Förderung der Bestandes­stabilität). In-situ-Generhaltungseinheiten sollten ausschließlich natürlich oder mit Vermehrungsgut aus derselben Generhaltungseinheit verjüngt werden. Die genetische Untersuchung der In-situ-Generhaltungseinheiten wird empfohlen.


Logo Waldkulturerbe. Mausklick öffnet externen Link im gleichen Fenster
Quelle: Waldkulturerbe

Kontakt

+49 (0)228 6845-3052

Vera Overrödder

Bundesanstalt für Landwirtschaft
und Ernährung
Referat 331
Deichmanns Aue 29
53179 Bonn

E-Mail